19. Oktober 2023

Einsilber

Nur ein Traum

Das Meer rauscht und der Mond steht hoch.
Sein Licht scheint grell auf das Haus am Strand.
Das Kind schnellt aus dem Schlaf.
Dann liegt es wach im Bett und blickt hoch.
Es ist der Traum, der ihm noch im Kopf spukt
Es weint und ruft – doch das Haus bleibt still.
Das Kind lauscht und blickt zur Wand. Dann schreckt es hoch:
Dort steht ein Wolf!
Das Biest starrt wild auf sein Bett.
Das Kind wird blass und das Herz klopft ihm bis zum Hals.
Schweiß rinnt ihm von der Stirn.
Es rührt sich nicht, gibt kein Laut und denkt nur:
„Geh weg! Was willst du von mir?“
Das Kind greift das Tuch auf, das auf dem Bett liegt.
Es legt das Tuch um den Kopf.
So sieht es das Tier nicht mehr – und das Tier wird ihm nichts tun.
Doch der Stoff ist zu dünn:
Die Wand und das Tier und die Angst sind noch da…
Das Kind hält die Furcht nicht mehr aus:
Sein Schrei dringt durch den Raum bis raus zum Hof.
Dann folgt ein Knall.
Das Kind hält ein, stutzt kurz, gibt sich ein Ruck und knipst das Licht an.
Dann hebt es das Tuch an und sieht:
Die Wand ist jetzt weiß.
Und auf dem Stuhl liegt ein Bild.
Der Wolf: So flach wie ein Blatt vom Baum.
Das Kind lacht.
Mit einer Hand reißt es das Tuch vom Kopf und drückt es weit von sich.
Es fühlt sich leicht und frei und freut sich auf den Tag.
Es fällt in sein Schlaf und träumt vom Strand, dem Boot und der Fahrt auf das Meer.
Denn die Nacht ist noch lang.